Das erste Mal erblickt man das Magenta, da befindet man sich bereits hinter dem Schutzwall aus Erde und dem meterhohen Zaun, hat schon die Überwachungskameras und Wärmebildsensoren passiert. Das Magenta, es erstrahlt auf ein paar Stühlen im Eingangsbereich des Rechenzentrums in Biere. Deren Polster sind in jenem Grellrosa gehalten, das wie keine andere Farbe für einen Konzern steht. Der Industriebau, 20 Kilometer südlich von Magdeburg, gehört zu der Telekom-Tochter T-Systems. Doch sehen soll man das nicht.
„Dass wir außen auf Beflaggung und Schilder verzichten, ist Teil des Sicherheitskonzeptes“, erklärt Johannes Krafczyk. Der T-Systems-Manager ist einer von zwei Generalbevollmächtigten des Rechenzentrums am Rande des 2 500-Einwohner-Dorfes. Der Standort im Salzlandkreis, gelegen zwischen Äckern und Wald, wird auch auch als Fort Knox der Daten bezeichnet. Für die Telekom ist der Mitte 2014 in Betrieb genommene Bau eine der größten Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahre. Weltkonzerne wie Huawei, Cisco und Microsoft speichern hier ihre Daten. Auf die Festplatten der 20 000 Computerserver in Biere passen 60 Petabyte. Eine Menge, mit der man auch vier Millionen Standard-Mobiltelefone füllen könnte.
„Europäische Meisterklasse“
„Was hier in Biere entstanden ist, ist ein Vorzeigeprojekt erster Güte.“
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)
Der Speicherplatz in Biere ist mittlerweile so begehrt, dass man sich bei T-System zu einem Erweiterungsbau entschlossen hat. Der soll rund 170 Millionen Euro kosten und eine eineinhalb Mal so hohe Kapazität haben. An diesem Montag war Grundsteinlegung. Dafür kam auch Reiner Haseloff (CDU) in die Provinz. „Was hier in Biere entstanden ist und entsteht, ist ein Vorzeigeprojekt erster Güte“, sagte der Ministerpräsident. „Sachsen-Anhalt spielt damit im IT-Bereich in der europäischen Meisterklasse mit.“
Was das Rechenzentrum so besonders macht, ist vor allem seine Sicherheit. Die zeigt sich beim Rundgang durch das Gebäude auch im Eingangsbereich. „Wir sind hier in Sicherheitszone eins“, erklärt Krafczyk. Vier gebe es insgesamt. Die letzte umfasse die Serverräume, in die bis auf Techniker eigentlich niemand dürfe. Der T-Systems-Manager legt seine Hand auf einen Scanner. „Jetzt geht es nur noch mit biometrischer Authentifizierung weiter.“ Von dem Sicherheitsmann hinter Panzerglas bekommt er eine Chipkarte. Um die nächsten Türen zu öffnen, braucht Krafczyk noch einen Zugangscode, den nur er kennt. „Aber selbst ich habe damit nicht überall Zutritt.“
Die Daten sind in Biere wie in einer Festung untergebracht. Zum Hauptgebäude kommt man nur über eine Hochbrücke. Das Rechenzentrum kann für 48 Stunden autark betrieben werden. Es besitzt eigene Luft- und Wasserkreisläufe. Acht 16-Zylinder-Schiffsdieselmotoren und eine halbe Million Liter gebunkerter Treibstoff sorgen für Notstrom, falls die Versorgung mal wegbricht. Der IT-Bau hat sogar ein eigenes Umspannwerk. Immerhin verbrauchen die Server pro Jahr so viel Energie, wie 16 000 Einfamilienhäuser. Wenn Biere 2, der Erweiterungsbau, fertig ist, übersteigt der jährliche Stromverbrauch sogar den von Dessau-Roßlau um fast 50 Prozent.
Gewaltige Ausmaße in der Provinz, doch sie lohnen sich für die Telekom. Dabei ist Deutschland traditionell eigentlich kein Land für Rechenzentren. Die größten wurden zuletzt an exotischeren Orten gebaut. So errichtete Facebook eine Serverfarm in Nordschweden. „Für unsere Kunden wäre das aber nichts“, sagt Krafczyk. „Erklären sie mal einem Mittelständler, dass seine Daten am Polarkreis gespeichert werden – da werden die skeptisch.“ Denn die ausgelagerten Informationen sind mitunter so wertvoll wie Gold. T-Systems sagt zwar nicht, was auf den Biere-Servern gespeichert ist. Bekannt ist allerdings, dass dort zum Beispiel Prozessdaten für den Betrieb von Fabriken liegen. Wer Zugriff darauf bekommt, könnte eine ganze Produktion lahmlegen.
Entsprechend hoch ist das Sicherheitsbedürfnis für solch sensiblen Informationen. Insbesondere nach den Datenskandalen der vergangenen Jahre suchen Firmen extrem verlässliche Speicherorte. So kam auch Deutschland in den Fokus. „Wir haben eines der strengsten Datenschutzgesetze der Welt“, sagt Krafczyk. Für T-Systems ist das eines der wichtigsten Verkaufsargumente.
Ausbau bis Biere 7 ist möglich
Das sah zuletzt auch Microsoft so. Der US-Großkonzern ist einer der Hauptantreiber des Erweiterungsbaus in Biere. Vom hohen Sicherheitsstandard dort versprechen sich die Amerikaner neue Kunden. Dabei geht es etwa um die onlinebasierte Bürosoftware „Office 365“. Nutzer speichern ihre Daten nicht mehr auf dem eigenen Computer, sondern in einer Cloud – also auf Servern. Würden diese irgendwo auf der Welt stehen, wäre die Software eigentlich für öffentliche Verwaltungen in Deutschland Tabu. Lagern die Informationen aber in Biere, steht für Microsoft ein riesiger Markt offen.
Seit zwei Jahren gibt es Biere 1 nun und die Kapazitätsgrenzen sind in Sicht. Bei Biere 2, dass 2018 den Betrieb aufnehmen soll, wird es wohl ähnlich schnell gehen. Auch Johannes Krafczyk weiß das. Am Ende des Rundgangs steht er auf dem Dach des Rechenzentrums und schaut Richtung Horizont: „Bis Biere 7 könnten wir hier ausbauen“, sagt der Manager. Noch fünf weiter Rechenzentren seien möglich. Wahrscheinlich wird das Fort Knox der Daten in der Provinz also noch kräftig wachsen.