Krachend schlägt der Hammer auf dem glühende Stück Eisen auf. Kleine Funken springen zur Seite. Als sie erloschen sind, saust das fünf Kilo schwere Gerät erneut auf das Metall. Das Gesicht von Meta Högg verzieht sich immer mehr. Einzelne Strähnen ihres blonden Haares tanzen wild durch ihr Gesicht. Die 19-Jährige holt tief Luft, dann schwingt sie den Hammer wieder Richtung Metall. Funken sprühen. Luft holen. Nächster Schlag.
Erst nach dem 17. Hieb zieht Wolf-Dieter Wittig das Eisenstück von dem 400 Kilogramm schweren Amboss und legt es zurück in die Glut des Schmiedeofens. Högg atmet tief durch. Die Anstrengung und die Wärme haben ihr Gesicht gerötet. Sie ist schlank, hat eine sportliche Figur. „Eigentlich ist dieser Hammer noch eine Nummer zu groß für mich“, sagt sie lächelnd und sichtlich aus der Puste. „Doch das hab ich ja so gewollt.“
Das 360-Grad-Video aus der Schmiede
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Meta Högg lässt sich in Wernigerode zur Schmiedin ausbilden. Das ist so ungewöhnlich, wie die weibliche Form ihrer Berufsbezeichnung. In Sachsen-Anhalt ist sie die einzige Frau, die dieses alte Handwerk erlernt. Und auch in Deutschland wird es wohl nur wenige Schulabgängerinnen geben, die nach ihrem Abschluss in einer Schmiede gelandet sind.
„Ich wollte immer schon etwas herstellen und selber produzieren“, sagt Högg. An Metall hatte sie dabei aber zu Beginn nicht gedacht. „Mir schwebte erst Köchin und später Kostümbildnerin vor.“ Doch dann kam das einwöchige Praktikum bei Schmied Wolf-Dieter Wittig. „Das Handwerk hier hat mich sofort begeistert, diese Mischung aus Kraft und filigranen Arbeiten.“ Hinzu kam noch, sagt die 19-Jährige, dass das Ambiente schon ein ganz besonderes sei.
Harzer Erz und schlesische Kohle
Der Ort, an dem Högg heute Eisen plättet, ist eine Institution in Wernigerode. Auf die Krellsche Schmiede weisen sogar Touristen-Wegweiser hin – und das in einer an Sehenswürdigkeiten nicht gerade armen Stadt. Seit 1678 wird in dem Fachwerkhaus an der belebtesten Straße der Harz-Metropole Metall in Form gebracht – damals noch die Eisen für Pferdehufe. Mit fast 340 Jahren Geschichte ist der Betrieb der älteste seiner Art in ganz Deutschland. Derzeit hat Wolf-Dieter Wittig den Schmiedehammer in der Hand. „Vor neun Jahren bin ich nach Wernigerode gekommen“, erzählt der 47-Jährige. Er sei damals auf der Suche nach einer traditionellen Schmiede gewesen. „Und viel traditioneller als hier geht es ja gar nicht.“
Wohl wahr! Tritt man hinter die Fachwerk-Fassade, so wähnt man sich plötzlich in einem anderen Zeitalter. Es ist, als würde der Kohlenstaub von Jahrhunderten durch die Luft zirkulieren. Die Wände sind mit Hämmern, Zangen und Gesenken eingekleidet. Ein großer Amboss füllt die Raummitte und in der Ecke lodert das geschürte Feuer im mächtigen Schmiedeofen. „Wir arbeiten im Wesentlichen noch wie vor gut 340 Jahren“, sagt Wittig.
Ihm ist es wichtig, die alte Schmiedekunst zu pflegen. Er schmilzt selber Erz ein und gewinnt Eisen. Den Rohstoff bekommt er aus kleinen Lagerstätten im Harz. Mit Leichtigkeit kann Wittig auch eine halbe Stunde über die perfekte Schmiedekohle dozieren, die ihm über die Harzer Schmalspurbahn aus Schlesien geliefert wird. „Dort gibt es noch eine von drei Zechen weltweit, die Kohle in der Güte produzieren, wie wir sie brauchen“, erklärt der 47-Jährige.
Aus dem Eisen baut Wittig Feuerschalen und Kerzenleuchter, die er bis nach Italien exportiert. Für Touristen rundet er Metallstreifen zu Hufeisen. Man kann bei ihm aber auch Geländer oder ein Gartentor bestellen. „Eisen ist ein so vielfältiger Werkstoff, den ich in seiner Breite auch ausnutzen will“, sagt der Schmied.
Um das Handwerk, das er selber bei einem Meister in Norddeutschland gelernt hat, weiterzugeben, bildet er schon sein Jahren aus. Wie in fast allen Branchen ist es auch für ihn nicht einfach, Lehrlinge zu finden. „Meta ist da schon ein Glücksgriff“, sagt Wittig. Eine Frau einzustellen, war für ihn keine Hürde. „Ich hab ja auch nicht erwartet, dass sie so viel Kraft hat wie ein Zwei-Meter-Hüne.“ Ihm sei nur wichtig, dass sie das Handwerk auch wirklich lernen wolle. „Und das beweist sie immer, wenn sie in der Werkstatt ist.“
Zwei Prozent weiblich
Wie exotisch Höggs Werdegang aber ist, zeigt ein Blick in die Statistik der Handwerkskammern Halle und Magdeburg. Zwar waren Ende vergangenen Jahres 21 Prozent der Auszubildenden weiblich, allerdings verteilten die sich vor allem auf den Bereich Gesundheit und Körperpflege (73 Prozent) und die kaufmännischen Berufe (81 Prozent). In anderen Branchen sind sie dagegen fast nur in übersichtlichen Mengen vorhanden. So etwa im Baugewerbe, wo sieben Prozent der Nachwuchshandwerker Frauen sind. Oder im Elektro- und Metallbereich, zu dem auch Höggs Ausbildung zählt. Dort waren Ende vergangenen Jahres gerade einmal zwei Prozent der Auszubildenden weiblich.
Ihren Schritt ins dieses Handwerk hat die 19-Jährige bisher noch nicht bereut. „Hätte ich noch einmal die Wahl, würde ich mich wieder für die Schmiede entscheiden.“ Dazu muss man allerdings auch sagen, dass Högg erst vor einem Monat bei Wolf-Dieter Wittig begonnen hat – und ihre Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. „Aber“, sagt Högg gelassen, „eine meiner ersten Aufgaben war Kohlen schippen.“ Da sei sie von oben bis unten schwarz gewesen. „Viel schlimmer kann es ja gar nicht mehr werden.“