Der Parkplatz ist verwaist. Wo an Sommertagen Autos bis zum Horizont auf grauem Rollsplitt stehen, sind nun nur vereinzelt ein paar Wagen zu sehen. Eine Leere, die auch ein Hoffnungsschimmer ist. Nämlich dafür, dass es mit dem Traum eines jeden Kindes und wohl auch vieler Erwachsener klappen könnte: Einen Tag ganz alleine im Freizeitpark verbringen. Kein Warten und Schlangestehen, dafür aber Karussell fahren bis zum Schleudertrauma und Achterbahnrunden, bis der Magen aufgibt.
Das 360-Grad-Video: Hinter den Kulissen von Belantis
Wie funktionieren 360-Grad-Videos? Antworten gibt es auf unserer Extraseite! Wer das Rund-Um-Video in Vollbildmodus sehen will, der kann das unter diesem Link tun. Und wer es mit einer VR-Brille ansehen möchte, sollte den Youtube-Link benutzen.
Es ist ein kühler Dienstagvormittag Anfang Dezember, als diese Wunschvorstellung in Erfüllung gehen soll. Der Ort: Belantis. Jener Freizeitpark also der 2003 mitten in die Braunkohlefolgelandschaft südlich von Leipzig gebaut wurde und der seit seiner Eröffnung zu einem der zehn größten Parks in Deutschland herangewachsen ist. 60 Attraktionen verspricht der Betreiber. Und die gilt es zu testen.
„Uns wird es in der kalten Jahreszeit nicht langweilig.“
Martin Kellner
Doch schon die ersten Meter der Vergnügungsmeile bringen Ernüchterung mit sich. Die Schiffschaukel schaukelt nicht und das Kettenkarussell hat gar keine Ketten mehr. Nix los also im Freizeitpark, der im Dezember natürlich geschlossen hat und sich im Winterschlaf befindet. Verständlich, würden doch bei eisigen Temperaturen die Finger an den Haltegriffen der Fahrgeschäfte festfrieren.
Allerdings kann der Stillstand im verschlafenen Park auch nützlich sein. Denn er bringt die Gelegenheit mit sich, hinter die Kulissen zu schauen. Und um das zu tun, gibt es keinen besseren Begleiter als Martin Kellner. Der 35-Jährige wartet bereits an der Geschäftsstelle. Kellner, blond, schwarzer Mantel, gestreifter Schal, ist der Erlebnis-Chef von Belantis. Er sorgt also dafür, dass im Park alles reibungslos abläuft und die Gäste Spaß haben.
Im Golfcar durch den Park
Rein also ins Vergnügen oder besser gesagt: rein ins Elektroauto. Das Gefährt, Typ Golfcar, ist im 27 Hektar großen Park durchaus eine Hilfe. Von der Geschäftsstelle geht es auf einen holprigen Wirtschaftsweg, der die Erlebnislandschaft umgibt. Mehrere Transporter und Pick-ups kreuzen den Weg. Winterschlaf? „Von wegen“, sagt Kellner. „Wir schließen jedes Jahr Ende Oktober und öffnen Anfang April wieder.“ Die Monate dazwischen seien enorm wichtig, um den Park instand zu halten. „Jetzt warten wir alle Fahrgeschäfte, lassen die Tüv-Prüfungen machen und bauen auch neue Gestaltungselemente auf.“ Hinzu kommen noch Planung und Organisation des nächsten Jahres. „Uns wird es in der kalten Jahreszeit nicht langweilig“, meint Kellner.
Es geht vorbei am Indianerdorf, durch das Lande der Grafen immer auf die Pyramide zu, eines der Wahrzeichen von Belantis, zu. Plötzlich tritt Kellner auf die Bremse. „Hier sieht man eine typische Winter-Aufgabe.“ Er zeigt auf den See, dessen Wasserstand gerade so Gummistiefelhöhe erreicht. Über das Gewässer ist ein Stahlseil gespannt. Im Sommer werden damit Boote über den See gezogen. Die liegen gerade am Rand. „Das Seil haben wir ausgetauscht“, sagt Kellner. „Es war zwar nicht kaputt, aber bevor es in der Saison reißt, machen wir das lieber jetzt.“ Vorbeugende Instandhaltung sei das.
Hohle Pyramide
Fünf Minuten später erreichen wir die Pyramide. Sie ist Teil der Wildwasserbahn „Fluch des Pharao“, einer der ersten Attraktionen in Belantis. Als normaler Besucher würde man durch einen dunklen Gang zur Einstiegsstelle für die Boote gehen. Doch wir nehmen die Hintertür. Es folgt eine Überraschung: Das 38 Meter hohe Gebäude ist innen hohl. Allerdings wird der Platz gut genutzt. In dem eckigen Bau stehen Kanus, Kulissen und viele Kisten. „Wir lagern in den geschlossenen Räume alles, was draußen durch die Witterung beschädigt werden könnte“, erklärt Kellner.
Die Mitte der Pyramide füllt eine Metallkonstruktion, die bis zur Spitze reicht. In ihr fahren die Boote mit den Besuchern nach oben, wo sie dann durch ein Loch in der Pyramide auf eine Rutschfahrt nach unten geschickt werden. Der Fahrstuhl ist derzeit allerdings außer Betrieb – Wartungsarbeiten. Wir nehmen also die Treppe.
Oben zieht ein kräftiger Wind durch die Öffnung in der Pyramide. Im normalen Betrieb schwappen hier Wassermassen die Rutsche nach unten. Doch im Winter bleibt alles trocken. „Damit nichts einfriert“, sagt Kellner. Er steht nur einen halben Meter von der Rutsche entfernt und schaut nach draußen. Kellner ist seit dem Start des Parks dabei. „Eine meiner ersten Aufgaben war es, vor der Eröffnung noch die Dreckklumpen von den Wegen zu fegen.“ Mittlerweile koordiniert er viele Angestellte. Im Sommer arbeiten in Belantis bis zu 350 Saisonkräfte. Im Winter sind es immerhin noch knapp 70, von denen der Großteil fest angestellt ist.
Achterbahn in Einzelteilen
Ein metallisches Kreischen surrt durch die Stille im Park. „Das sind die Jungs in der Cobra“, meint Kellner und macht sich auf den Weg. Treppen wieder runter, durch die Hintertür raus und rein ins E-Mobil. Bis zur Cobra ist es nicht weit. Sie steht genau neben der Pyramide. „Das ist eine unserer neuesten Attraktionen“, meint Kellner stolz. Eine Zugachterbahn, im Betrieb seit Juli 2015.
Der Zug, also der Wagen, in dem die Besucher Platz nehmen, liegt in Einzelteilen im Eingangsbereich der Cobra. Daneben drei Techniker, die Jungs. „Einen Zug auseinander zu nehmen, dauert etwa eineinhalb Wochen“, sagen sie. Und wozu das Ganze? „Um die Schweißnähte zu prüfen.“ Eine Routineuntersuchung sei das. Die einzelnen Teile werden dazu sogar geröntgt. „So kann man sehen, ob sich Risse unter dem Lack gebildet haben“, erklärt Kellner.
Wir müssen zurück zur Geschäftsstelle. Dort sind wir mit Erwin Linnenbach verabredet. Er ist der Geschäftsführer von Belantis, der oberste Parkchef also. Linnenbach, beiges Sakko und auch im geheizten Besprechungsraum einen Schal um den Hals, ist Geschäftsmann durch und durch. Der 55-Jährige sagt Sätze wie: „Dem Image folgen die Zahlen.“ Und: „Unser Park hat ein riesiges Potenzial.“
Erlebnishalle für den Winter
Linnenbach ist aber auch Enthusiast, wenn es um Belantis geht. Vor zweieinhalb Jahren übernahm er die Spitze des Erlebnislandes. Dafür gab er seinen Geschäftsführerposten bei der Radiocast-Gruppe auf, einem sächsischen Medienkonzern, den er nach der Wende selber aufgebaut hatte. Nun widmet sich der Saarländer ganz dem Park. Mit Erfolg. Die Besucherzahl ist in seiner Amtszeit um 25 Prozent auf 600 000 angewachsen. Der Umsatz stieg auf einen Rekordwert von knapp zwöf Millionen Euro in diesem Jahr. Linnenbachs Ziel: „Eine Million Gäste pro Saison.“
Dafür will der Belantis-Chef noch stärker im Osten vermarkten. „Wir sind der Freizeitpark, der Berlin am nächsten liegt, nur ist das dort noch nicht bekannt genug.“ Und er will das Programm für Familien ausbauen. Die machen immerhin 75 Prozent der Besucher aus. „Die Achterbahnen sind zwar unser Aushängeschild, aber wir werden künftig noch mehr Attraktionen für kleinere Kinder haben.“
Martin Kellner übernimmt wieder. Eine Sache will er noch zeigen: Huracan, die spektakulärste Achterbahn im Park. Nur ein Drittel der Gäste traut sich auf den roten Stahlkoloss, dessen Höhepunkt eine Abfahrt im 97-Grad-Winkel ist – das ist steiler als senkrecht.
Wir erklimmen eine Plattform in gut 20 Metern Höhe, den Notausstieg der Achterbahn. Von oben hat man ganz Belantis im Blick. Im Hintergrund sieht man das Leipziger Völkerschlachtdenkmal. „Das ist hier definitiv mein Traumjob“, meint Kellner und schaut auf den Park herab. Unten ist es still. Doch das könnte sich künftig ändern. Belantis-Chef Linnenbach hat nämlich noch verraten, dass eines der nächste große Vorhaben eine Erlebnis-Halle sein soll, die auch im Winter zugänglich ist. Spätestens dann wird es kaum noch Tage geben, die man allein im Freizeitpark verbringen kann.